Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Links Mehr dazu hier.
Als ich das erste Buch von Jeanette Winterson (Frankissstein) gelesen habe, war ich direkt hin und weg. So ist es eigentlich keine grosse Überraschung, dass „Auf den Körper geschrieben“ ebenfalls mein Herz erobert hat. Auch wenn das Buch so ganz anders daher kommt, als Frankissstein.
Der Inhalt (gemäss Klappentext)
Die Liebschaft der namenlosen Erzählerin – oder ist es doch ein Erzähler? – mit der verheirateten Louise überschattet an Intensität und Bedeutung alles bisher Gekannte. Als Louise jedoch nach nur kurzer gemeinsamer Zeit schwer erkrankt, gerät die gemeinsame Welt ins Wanken. Nur ihr verlassener Ehemann und Arzt kann sie retten, und ein existenzieller Kampf zwischen Liebe und Leben beginnt.
Meine Meinung
Wenn eine Schriftstellerin so fantastisch mit Wörtern umzugehen weiss, habe ich immer ein bisschen Angst vor der Rezension. Schliesslich möchte ich ihr Werk nicht „verhunzen“. Aber gleichzeitig fand ich dieses Buch so toll, dass ich es am liebsten ganz vielen Leuten verschenken möchte. Aber weil ich es gerne selbst nochmals lesen will, muss ich es erst einmal behalten.
Ich hätte sie in meinen Armen gehalten, auch wenn die Zeit die Spannkraft und Konsistenz ihrer Haut zerstört hätte. Ich hätte sie tausend Jahre halten können, bis selbst ihr Skelett zu Staub zerfallen wäre. Was bist du, dass ich so empfinde? Wer bist du, für den die Zeit keine Bedeutung hat?
Aus „Auf den Körper geschrieben“
Inhaltlich passiert eigentlich gar nicht mal so viel – der Plot wird bereits im Klappentext gut wiedergegeben. Ich hatte Anfangs ein bisschen Mühe damit, dass man bis am Schluss nicht weiss, ob der Erzähler/die Erzählerin ein Mann oder eine Frau ist. Manchmal war ich mir ganz sicher, dass es sich hierbei um eine Liebschaft zwischen zwei Frauen handelt und dann war ich wieder überzeugt, dass der Schreibende männlich sei. Dieses hin- und her fand ich einerseits spannend – andererseits hat es mir meine Bilder im Kopf immer wieder durcheinandergewirbelt.
Aufgrund des Schreibstils, war dies ziemlich sicher von der Autorin gewollt. Heutzutage ist ja „Genderneutralität“ ein ganz grosses Thema. Wenn man bedenkt, dass die Erstausgabe bereits 1992 veröffentlicht wurde, ist dies sehr beachtlich.
Ich hatte sie zum Lachen bringen wollen, und damals hatte sie auch gelacht. Nun hatte ich unseren Weg mit Dornen bestreut. Sie vertraute mir nicht. Mit mir befreundet zu sein, war amüsant gewesen. Für eine Liebesbeziehung war ich tödlich.
Aus „Auf den Körper geschrieben“
Dieses Buch ist eine einzige grosse Liebeserklärung. An Louise. Aber auch an die Liebe an sich. Während des Lesens schmolz ich bei den gelungenen Formulierungen wie Eiscreme in der Sonne. Habe ich schon einmal erwähnt, dass die Autorin ein absolutes Sprachtalent ist? Natürlich muss man diesen Stil mögen – aber trotz des Schmachtens hatte ich weder das Gefühl, dass die Liebe einseitig ist noch, dass es zu kitschig wird. Manche der Metaphern (wie z.B. das Skelett im obigen Zitat) wirken sogar etwas morbid – passen aber jeweils erstaunlich gut in den Zusammenhang.
Ich gehöre nicht zu der Art, die Liebe durch Zweckmässigkeit oder Leidenschaft durch flüchtige Abenteuer ersetzen kann. Ich will keine Hausschuhe daheim und Tanzschuhe in einem kleinen möblierten Zimmer um die Ecke. So läuft das doch, oder? Verpack dein Leben mit der Effizienz eines Supermarkts, vermenge das Herz nicht mit der Leber.
Aus „Auf den Körper geschrieben“
Durch die Krankheit von Louise stellt sich irgendwann die Frage, ob die gelebte Liebe wichtiger ist oder das Leben der geliebten Person (aber ohne sie sehen zu dürfen). Diese Entscheidung fand ich äusserst komplex und sie warf einige Fragen auf. Wer darf so etwas überhaupt entscheiden? Ich weiss nicht, ob ich gleich gehandelt hätte – aber ich fand die Entwicklung des Erzählers zum Ende hin nochmals sehr spannend und gut durchdacht.
Ich habe diese Worte im Futter meines Mantels versteckt. Ich nehme sie heraus wie ein Juwelendieb, wenn keiner zusieht. Sie sind nicht verblasst. Nichts, was mit dir zu tun hat, ist verblasst. Du bist immer noch die Farbe meines Blutes. Du bist mein Blut. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nicht mein eigenes Gesicht. Deinen Körper gibt es zweimal. Einmal du, einmal ich. Kann ich sicher sein, welcher welcher ist?
Aus „Auf den Körper geschrieben“
Fazit
Und hätte jemand gesagt, dies esi der Preis dafür, ich wäre bereit gewesen, ihn zu bezahlen. Das überrascht mich; dass mit dem Schmerz und der Verwirrung ein Strahl der Erkenntnis kommt. Es war es wert. Liebe ist es wert.
Aus „Auf den Körper geschrieben“
Ich könnte noch stundenlang aus diesem Buch zitieren – auf fast jeder Seite fand ich wunderhübsche und poetische Sätze. Aber gleichzeitig möchte ich Dir natürlich nicht schon alles vornewegnehmen. Daher bleibt nur meine Empfehlung: Das Buch ist wundervoll und ich würde es am liebsten nochmals lesen, und nochmals, und nochmals, und nochmals….
Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Vielen Dank an den Verlag Kein & Aber für das Rezensionsexemplar. Fotos von mir selbst.