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Belletristik: Frankissstein

Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Links Mehr dazu hier.

Kennst Du das Gefühl dieser Ambivalenz, wenn Du unglaublich gerne wieder einmal ein gutes Buch lesen möchtest und gleichzeitig Angst davor hast, dass es doch nicht so toll werden könnte, wie erhofft?

Während ich Sachbücher ziemlich schnell einschätzen kann, fehlt mir bei Belletristik oftmals der richtige Riecher. Daher fürchte ich mich meistens vor einem neuen Buch und fühle mich dennoch ein klein wenig neugierig. Gespannt. Oder auch mutig.

Das Buch Frankissstein von Jeanette Winterson habe ich ausgewählt, da es verschiedene Themen vereint, welche mich grundsätzlich faszinieren: Künstliche Intelligenz, Ethik, Feminismus und biologische sowie sexuelle Identität. Das klang nach einer explosiven Mischung.

Warum es schlussendlich tatsächlich zu meinem Jahreshighlight wurde, erfährst Du in dieser Rezension:

Der Inhalt (gemäss Klappentext)

1816 schreibt Mary Shelley Frankenstein in den Schweizer Bergen. zweihundert Jahre später, im heutigen Grossbritannien, begegnen wir dem transgender Arzt Ry Shelley, der sich in Victor Stein, einen renommierten wie unergründlichen Experten für künstliche Intelligenz verliebt.

Klug und mit unvergleichlichem Witz verbindet Winterson diese beiden Erzählstränge zu einer höchst originellen Geschichte, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz und zwischen biologischer und sexueller Identität verschwinden – eine Geschichte über die Liebe und das Menschsein selbst.

Meine Meinung

Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal derart von einem Buch fasziniert war. Selbst jetzt noch – nachdem ich es bereits seit mehr als einer Woche zugeklappt habe, fällt es mir schwer, die Atmosphäre, die mich beim Lesen umgab, in Worte zu fassen. Am Liebsten würde ich das Buch selbst sprechen lassen – aber natürlich möchte ich Dir nicht den Lesegenuss vorwegnehmen.

Was ist dein Stoff? Woraus bestehst du,

Dass Scharen fremder Schatten dich

umschweben.

Aus „Frankissstein“

Die Autorin verwebt die Geschichten von Marry Shelley aus der Vergangenheit und dem transgender Arzt aus der Gegenwart sehr gekonnt. Während ich zu Beginn noch kaum Parallelen sah und mich meistens mehr auf eine der beiden freute, merkte ich am Schluss, wie sie sich immer weiter annäherten. Jetzt habe ich grosse Lust, das Buch gleich nochmals zu lesen, um herauszufinden, wo sie sich sonst noch überall begegneten.

Vielleicht sterben wir gemeinsam. Ich lebe wahrscheinlich nicht lange genug, um mich zu befreien.

Darum geht es also bei diesem Wettlauf?

Ja, es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ich will so lange leben, dass ich die Zukunft erreiche.

Aus „Frankissstein“

Dabei sind die beiden Erzählstränge durchaus sehr unterschiedlich. Man merkt der Autorin zwar ihre Liebe für fantastische Dialoge an – diese passen sich aber den veränderten Gegebenheiten an. Mir gefielen die tiefsinnigen Themen der Protagonisten unglaublich gut und mehr als einmal wäre ich am Liebsten selbst kurz in die Story geschlüpft und hätte mich in die Diskussion eingeklinkt. Dabei war nicht nur der Schreibstil gekonnt sondern auch die Inhalte treffend, poetisch und manchmal auch ein klein wenig erschreckend.

Niemand kennt den menschlichen Geist, und läse er jeden Gedanken, den Menschen jemals aufgeschrieben haben. Jedes geschriebene Wort ist wie ein Kind, das im Dunkeln ein Streichholz entzündet.

Wenn wir allein sind, bleibt nur die Dunkelheit.

Aus „Frankissstein“

Nebst den gelungenen Unterhaltungen trugen auch die Protagonisten zu der unglaublichen Wirkung von Frankissstein bei. Dabei sind diese durchaus nicht perfekt – manche wirken auf den ersten Blick auch ein wenig unsympathisch und fast alle haben ihre allzu menschlichen Schwächen. Aber gleichzeitig lebst Du mit ihnen mit, fühlst ihren Schmerz, ihre Hoffnungen, ihre Träume. Selbst wenn sich diese absolut nicht mit deinen decken, lassen sie sich doch alle gut nachspüren und machen das Buch absolut lebendig.

Ich gab ihm Wein. Erzählen Sie mir Ihre Geschichte, sagte ich.

Das ist das Dilemma, erwiderte er. Ich weiss nicht, bin ich der Erzähler oder die Erzählung.

Aus „Frankissstein“

Schlussendlich animierte mich „Frankissstein“ dazu, über viele Themen nachzudenken. Was ist Identität? In welche Richtung geht die künstliche Intelligenz? Sind wir unsere Körper, brauchen wir diese oder sind wir nur eine Seele? Was erträumen wir uns heute, was in wenigen Jahren schon die Realität sein wird?

Wenn ich noch Tage später über die Inhalte des Buches nachdenke, hat es definitiv sein Ziel erreicht.

Eines kann ich Ihnen sagen: Liebe hat viele Gesichter – aber keins davon hat blaue Flecken. Liebe hat viele Leben – aber keins davon wird auf der Treppe zu Tode geprügelt. So ein sanftes Wesen aus Schaltkreisen, Silikon und Drähten wäre genau das Richtige für mich.

Aus „Frankissstein“

Fazit

Für mich war Frankissstein definitiv ein Jahreshighlight und ich kann es Dir nur wärmstens empfehlen. Insbesondere die wunderbaren poetischen Gespräche würde ich am Liebsten gleich nochmals lesen. Und ja – vielleicht werde ich genau das jetzt tun.

Herzlichen Dank an den Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar.

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Fotos von mir selbst.

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3 comments

  1. […] ich schon vor zwei Wochen ein Buch gelesen hatte, welches ich nach dem Zuklappen am Liebsten direkt wieder aufgeklappt hätte, ging es […]

  2. […] ich das erste Buch von Jeanette Winterson (Frankissstein) gelesen habe, war ich direkt hin und weg. So ist es eigentlich keine grosse Überraschung, dass […]

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