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Belletristik: Rate, wer zum Essen bleibt

Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Links Mehr dazu hier.

Nachdem ich schon vor zwei Wochen ein Buch gelesen hatte, welches ich nach dem Zuklappen am Liebsten direkt wieder aufgeklappt hätte, ging es mir diese Woche mit Rate, wer zum Essen bleibt von Philipp Tingler schon wieder so. Allerdings dieses Mal aus anderen Gründen – welche das sind, erfährst Du in dieser Rezension.

Der Inhalt (gemäss Klappentext)

Für Franziska ist es das wichtigste Abendessen ihres Lebens. Oder wenigstens in diesem Jahr. Ihre Karriere hängt davon ab. Und die läuft nicht so ganz nach Plan in letzter Zeit. Das stresst Franziska ebenso wie der bevorstehende Besuch ihres Bruders. Wenigstens ist in ihrer Ehe mit Felix alles in Butter. Oder nicht? Wichtiges Abendessen jedenfalls. Und dann platzt Conni Gold ins Haus. Sie ist die Freundin, die Franziska nie haben wollte. Und nichts mehr geht nach Plan.

Meine Meinung

Nach der Lektüre von „Rate wer zum Essen bleibt“ ist mir eines auf jeden Fall klar: Philipp Tingler kann fantastisch schreiben. Dabei fällt es mir ziemlich schwer, seinen Stil in Worte zu fassen. Manchmal waren es die detaillierten Beschreibungen, die mich ins Schwärmen brachten. In anderen Situationen fesselte mich der Biss, mit dem er verschiedene Details ans Licht zerrte. Und ein paar Seiten später brachte er mich tatsächlich dazu, im Zug laut zu lachen.

Doch als ihr Blick bis zu den Bienenkörben auf Connis Pumps hinabgewandert war, bemerkte Felix, wie diese gedrillte Freundlichkeit den Bruchteil einer Sekunde zu früh in sich zusammenfiel. Und bereits in diesem Bruchteil entlarvte sich jene konventionelle Liebenswürdigkeit als eine Art Versteck, aus dem jählings Entsetzliches hervorbrechen konnte.

Aus „Rate, wer zum Essen bleibt“

Dabei muss ich Dir etwas gestehen, bei dem ich zuerst nicht ganz sicher war, ob ich es hier auf dem Blog tatsächlich veröffentlichen sollte: Ich musste immer wieder mal ein Wörterbuch zu Hilfe ziehen. Und ja – das Buch ist auf Deutsch geschrieben. Aber Philipp Tingler verwendete so viele Fremdwörter, dass ich mir manchmal regelrecht ungebildet vorkam. Andererseits – so habe ich jetzt einiges dazu gelernt.

Genau genommen war das eigentlich nie eine Familiensituation. Mehr eine Geiselsituation. Ich bin ganz anders als sie alle. Und solange man sich nicht sieht, ist das überhaupt kein Problem. Ich meine, für manche Menschen, zum Beispiel mich, ist Familie offenbar einfach irgendwann zu Ende. Oder doch wenigstens beinahe. Das Lied ist zu Ende, aber die Melodie hängt irgendwie noch in der Luft.

Aus „Rate, wer zum Essen bleibt.“

Diese geballte Ladung an Fremdwörtern war zwar interessant und machte für mich definitiv einen Teil des Reizes an diesem Buch aus. Manchmal fand ich sie jedoch in den Dialogen ein klein wenig übertrieben – schliesslich würde niemand in Wahrheit so gestelzt reden. In diesen Momenten fand ich den ungebetenen Gast „Conni“ sehr erfrischend – sie spricht jeweils direkt aus, was sie denkt und sorgte damit für den einen oder den anderen Lacher.

„Das ist mir zu hoch. Und zu krass.“

„Ich spreche im Moment gar nicht mit dir. Ich bewege hier nur einige tiefschürfende Gedanken, während zu zufällig anwesend bist.“

Aus „Rate, wer zum Essen bleibt.“

Interessanterweise findet in „Rate, wer zum Essen bleibt“ keine grossartige Handlung statt. Die Protagonisten sitzen beim Essen (oder bereiten dieses vor) und unterhalten sich dabei. Es zu schaffen, trotz dieser fehlenden Aktionen einen Spannungsbogen aufzubauen, ist definitiv eine Leistung. Da die Teilnehmer an den Essen unglaublich unterschiedlich sind, bleibt auch mehr als genug Raum für wirklich interessante und amüsante Dialoge.

Die sehen hier alle aus wie Gartenzwerge, dachte Felix, lebensweltlich privilegierte Zerowaster-Gartenzwerge, in veganen Turnschuhen an Grünkohlstrünken nagend.

Aus „Rate, wer zum Essen bleibt“

Wegen des faszinierenden Schreibstils würde ich das Buch gerne gleich nochmals lesen. Es ist allerdings trotzdem kein absolutes Lieblingsbuch von mir geworden. Schuld daran sind vor allem die Protagonisten – so interessant diese auch waren, so waren sie mir bis zu Schluss alle ein klein wenig unsympathisch. Ich konnte mich nicht so ganz in ihre Probleme hineinversetzen und dachte mir die ganze Zeit „Da ist die Lösung! Es ist ganz einfach! Stell Dich nicht so an!“ und habe die Geschichte daher eher als eine Art neutraler Beobachter wahrgenommen. Das war durchaus faszinierend, auch bewegend, aber nicht unbedingt berührend.

Ein bewegtes Temperament, das allmählich in Resignation übergegangen war, eine melancholische Gefasstheit sprach vielmehr aus ihren leicht verlebten Zügen, über denen, wie gesagt, ein ganz undefinierbar verklärender Schimmer lag, die fein gefältete Haut der Wangen in tausend feine Risse versprödet wie alter Gummi.

Aus „Rate, wer zum Essen bleibt“

Fazit

Jeder, der Wert auf einen guten Schreibstil legt, wird sich über dieses Buch freuen – so viel sprachliches Talent überzeugt auf jeden Fall. An dieser Stelle möchte ich auch noch ganz kurz auf die tolle Aufmachung des Buches eingehen – das Cover passt so gut zu den Protagonisten und ich liiiebe es, wenn Bücher ein Band als Lesezeichen haben.

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Vielen Dank an den Verlag Kein & Aber für das Rezensionsexemplar. Fotos von mir selbst.

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