Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Selbst gekauft) und Affiliate Links (Die Links zu Amazon). Mehr dazu hier.
In letzter Zeit lese ich fast nur noch Bücher, welche mir von anderen Bloggern oder Freunden empfohlen wurden. So habe ich die Anzahl an Flops deutlich reduziert. Aber trotz dieser Recherche passiert es immer wieder einmal, dass ich nach der Lektüre eines Buches einfach nur den Kopf schütteln kann. So auch bei Super, und dir? von Kathrin Wessling
Der Klappentext
(Gemäss Amazon)
Marlene Beckmann ist 31 Jahre alt und lebt das Leben, das sie sich gewünscht hat. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet sie meistens: »Super, und dir?« Marlene hat sich äußerlich im Griff. Bis sie ihren ersten richtigen Job als Social Media Managerin in einem multinationalen Unternehmen antritt. Bis sie vor lauter Überstunden kein Privatleben mehr hat. Bis der Druck schließlich zu groß wird …
Mit emotionaler Wucht beschreibt Kathrin Weßling eine gnadenlose Welt, in der Ersetzbarkeit, fehlende Perspektiven und der Zwang zur Selbstoptimierung eine ganze Generation unter Druck setzen.
Meine Meinung
Nebst den tollen Rezensionen hat mich auch der Klappentext dazu gebracht, dieses Buch in die Hände zu nehmen. Überstunden, Erfolgsdruck und der Zwang zur Selbstoptimierung sind Themen, welche heutzutage sehr viele Personen betreffen. Auch aufgrund der zahlreichen positiven Amazon Rezensionen versprach ich mir daher einen authentischen und realitätsnahen Roman.
Schlussendlich hat die Autorin die Protagonistin erschaffen und kann daher auch bestimmen, was deren Hauptproblem ist: Der Druck von aussen. Ich hatte bei der Lektüre jedoch eher das Gefühl, dass Marlene ein massives Drogenproblem hat, welches sämtliche anderen Schwierigkeiten erst hervorruft. Bereits ganz am Anfang erfährst Du nämlich, dass sie täglich mehrere unterschiedliche Substanzen konsumiert – von Speed über Kokain bis hin zu Ritalin, Schlaftabletten und noch zahlreichen weiteren Mischungen. Dabei handelt es sich auch nicht um die gelegentliche Konsumierung am Wochenende – nein, sie nimmt die Drogen in der Mittagspause, nach dem Aufstehen, vor dem Sport, vor dem Schlafen gehen – ach, eigentlich immer. Nebenbei betrinkt sie sich regelmässig und raucht ohne Pause. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft im Buch die dadurch entstandenen massiven Gesundheitsprobleme thematisiert wurden: Kreislaufschwäche, Wahnvorstellungen, zitternde Hände, blutende Nase, Herzrasen, starke Abmagerung, andauernde Müdigkeit etc.
Ich wurde verarscht, weil alle, einfach alle mir versprochen haben, dass ich nur hart genug zu mir sein muss, nur dünn, fleißig und hübsch genug, nur therapiert und reflektiert genug, nur geil und kinky genug, lieb und cool, gleichzeitig aber auch besonders, dann kriege ich, was ich will, was ich brauche, was mich weiterbringt, was wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung ist.
Das klingt jetzt vielleicht hart, aber mit diesen ganzen Symptomen würde ich auch keine Arbeitswoche durchstehen. Die Arbeit wird im Buch auch nur am Rande thematisiert (70 Stunden Woche) – wie sie es dennoch noch schafft, jeden Morgen eine halbe Stunde zu meditieren und Abends in den Sport zu gehen, erscheint mir dann doch etwas rätselhaft.
Das hier ist nicht für immer. Nichts, das sich in mich hineinätzt und alles andere bestimmen wird. Kein ganzes Kapitel, nein, so groß ist es nicht. Nur eine Fußnote. Es wird vorübergehen. Und dann wird alles wieder gut. Das kann man sich eine sehr lange Zeit einreden.
Durch diesen massiven Drogenkonsum hat Marlene natürlich auch eine extrem verzogene Sicht auf die Welt. Sie denkt zum Beispiel, sie müsse immer glücklich sein (Irrtum – wer im Job immer nett und glücklich ist und alles „super“ findet, wird ganz sicher keine Karriere mache) und immer lächeln und stark sein und alles ertragen und akzeptieren und bloss nie die Wahrheit sagen. Ich sehe in diesem Buch weder die Problematik der neuen Arbeitswelt noch von Social Media (zu dieser Thematik war das Buch von John Green tausend Mal besser) oder dem Druck aus der Umgebung, sondern einfach ein junges Mädchen mit psychischen Problemen, welche sie mit Drogen bekämpft und damit leider verschlimmert.
Sprachlich war ich hin- und hergerissen. Die Bandwurmsätze zeigten gut auf, wie verrückt es in Marlenes Kopf zu und her geht und sind sprachlich wirklich schön zu lesen. Zudem waren einige Metaphern vorhanden, welche mich richtig bezaubert haben. Gleichzeitig versuchte die Autorin auch einige Stilmittel anzuwenden, welche ihr nicht ganz geglückt sind. So schaut Marlene zum Beispiel ständig in den Spiegel und beschreibt sich dabei selbst – als würde es eine Rolle spielen, ob sie nun die Skinny Jeans anhat oder nicht. Ausserdem verwendet die Autorin zahlreiche Rückblenden, um die schlimme Kindheit sowie die (meiner Meinung nach) unmöglichen Freunde von Marlene zu beschreiben und dadurch einige ihrer Probleme zu erklären. Manchmal waren diese Rückblenden aber so wirr, dass ich gar nicht mehr sicher war, an welchem Ort und zu welcher Zeit ich mich gerade befand.
Genau das ist das Problem: Das Mädchen liegt nicht halbtot mit einer Nadel im Arm auf der Toilette eines Bahnhofs. Man sieht nicht, wie das Mädchen ertrinkt, ganz im Gegenteil. Es reitet die Wellen, während der Sturm aufzieht, und es lächelt, es winkt den anderen zu, schon viel zu weit vom Strand entfernt, Wasser in den Lungen, Wasser im Kopf, und ruft: Alles in Ordnung, es geht mir sehr, sehr gut!
Inhaltlich plätschert das Buch einfach ein wenig vor sich hin – es gibt keinen grossen Spannungsbogen – je nach Leser fragt man sich möglicherweise, ob sie in der Firma bleibt oder nicht und ob sie von den Drogen und ihrer psychischen Störung loskommt oder nicht. Manchmal ging ich aufgrund der Beschreibungen auch davon aus, dass es sein könnte, dass sie das Buch nicht überlebt. Ob wir die Antwort auf eine der drei Fragen erhalten, verrate ich Dir an dieser Stelle noch nicht. Nur so viel: Der Schluss war für mich absolut unbefriedigend und hat diesem ganzen seltsamen Leseerlebnis noch die Krone aufgesetzt.
Fazit:
Es scheint zahlreiche Leser zu geben, welche das Buch mochten. Wenn Du die Gedanken einer jungen Person mit einer psychischen Störung und einem Drogenproblem nachvollziehen möchtest, könnte das Buch eine gute Wahl sein. Aber mach Dich dabei darauf gefasst, dass Du ziemlich viel Gejammere und ziemlich wenige Fortschritte finden wirst.
Hast Du schon einmal ein Buch gelesen, welches überhaupt nicht Deinen Erwartungen entsprach?
Das Buch wurde von mir selbst gekauft.
Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Fotos von mir selbst.