Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Links Mehr dazu hier.
Als ich das Buch „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“ rezensiert habe, habe ich erwähnt, dass meine Kontaktpunkte zum trans Sein sehr klein waren. Mit dem Buch habe ich einen ersten Einblick in die Gedanken einer queeren Person erhalten. In Detransition, Baby von Torrey Peters kommen nun weitere Gedanken dazu – welche so ganz anders und dennoch unglaublich spannend waren.
Der Inhalt (gemäss Klappentext)
Reese und Amy sind ein glückliches Paar, zwei trans Frauen in New York, mit dem Traum von einer Familie. Doch dann entscheidet sich Amy, wieder als Mann zu leben, und die Liebe zerbricht. Als drei Jahre später Amesʻ Chefin Katrina unerwartet von ihm schwanger wird, fasst Ames einen Plan: Warum ziehen sie das Kind nicht gemeinsam groß, zu dritt?
Meine Meinung
Grundsätzlich war es gut, hatte ich erst kurz zuvor ein Buch zu diesem Thema gelesen. Sonst wäre mein Eindruck vom trans-Sein vielleicht ein wenig einseitig geraten. Aber lass uns mit den besonders guten Punkten anfangen:
Ich fand die Idee zu dieser Geschichte so ungewöhnlich wie genial. Ich meine: Schon ein Buch über eine Beziehung zwischen zwei trans-Frauen wäre etwas abseits der Norm gewesen. Aber ein Buch über eine trans-Frau, einen Mann, welcher detransitioniert hat (Falls Du nun ein Chaos im Kopf hast: Er war zuerst ein Mann, dann eine Frau und dann wieder ein Mann) und schlussendlich noch eine ungeplante Schwangerschaft, klang hochgradig verwirrend und gleichzeitig superspannend. Und genau das war es auch – Spannung pur, fernab von der klassischen „Mann trifft Frau – mal sehen ob sie sich kriegen“- Storyline.
Und alles, was ihr auffiel, löste Abscheu in ihr aus: strähnige dunkle Haare, ausgeprägte Knöchel, magere Wangen, die Spuren des Make-ups vom Vorabend, das ihre Augenringe noch betonte. Angst hatte Amys Gedanken vergiftet. Grausam und unwillkürlich streifte ihr Blick die Schönheit von Jen ab, als wäre sie lose Haut.
Aus „Detransition, Baby“
Die Bildsprache war fantastisch. Unglaublich schöne Metaphern, unglaublich tolle Sätze, unglaublich feinfühlig und gleichzeitig wieder unglaublich und knallhart auf den Punkt getroffen. Dabei wirken die heraufbeschworenen Bilder nie zu gewollt, sondern passen sich richtig gut in die Geschichte ein. Selbst wenn Dir das Buch ansonsten nicht zusagen sollte oder die Thematik Dich nicht interessiert: Nur wegen des Schreibstils solltest Du das Buch schon einmal ausprobieren.
Reese hat immer gesagt, dass sie sich nur für Menschen interessiert, die im Leben schon mal richtig gescheitert sind. Sie meinte, man muss dieses eine grosse Scheitern erlebt haben, das alle Hoffnungen zerstört, damit etwas Interessantes aus dem Leben spriesst, wie gestutzte Bäume, die barock und schön wachsen, während ein ungestutzter Baum nur vorhersehbar in die Höhe wächst und so viel Sonnenlicht wie möglich schluckt.
Aus „Detransition, Baby“
Nebst den wunderschönen Sätzen konnte mich auch der Inhalt richtiggehend fesseln. Ich wollte unbedingt wissen, ob es mit den drei klappen wird – können sie gemeinsam ein Baby grossziehen? Und wollen sie das überhaupt? Durch viele Rückblenden zieht sich die tatsächliche Handlung im Buch nicht über einen grossen Zeitraum – aber die Autorin schafft es dennoch spielend, den Leser immer wieder eine Seite weiterblättern zu lassen. Und noch eine. Und nochmals eine.
„Oh, sorry“, sagt Reese. „Die Typen da haben gerade das Wort „trans“ benutzt. Ich bin immer neugierig, wie solche Männer über trans Sachen reden. Die sagen trans, als würden sie das Wort zum ersten Mal in den Mund nehmen, und als würden sie dann merken, dass es ja … also, irgendwie ganz gut schmeckt!“
Aus „Detransition, Baby“
Die Charaktere waren durchaus sehr spannend und auch wenn ich manche Handlungen persönlich nicht nachvollziehen konnte, so wurden diese dennoch gut erklärt. Du erhältst einen sehr intimen Einblick in die Gefühlswelt der Protagonisten und die Storyline wirkt plötzlich gar nicht mehr so absurd, sondern wie das normalste der Welt.
Natürlich hatte sie schon lange begriffen, das Männlichkeit sie stumpf machte, sie von sich selbst abspaltete. Aber ganz ehrlich, genau das wollte sie gerade. Eine Nische, in der sie ohne die grellen Gefühle war, ohne Scham und Angst, ein Schleier zwischen ihr und den neugierigen Blicken in der Subway und bei der Arbeit, eine Schutzhülle über der scharfen Kante des Betrugs, der sie jedes Mal zerriss, wenn sie Reeses Blick begegnete, und auch eine Schutzhülle über dem schrecklichen Verlangen nach Reese, wie sie so unschuldsvoll vor Stanley gestanden hatte.
Aus „Detransition, Baby“
Nun habe ich sehr viel Lob über „Detransition, Baby“ ausgeschüttet. Du fragst Dich vielleicht, warum ich in der Einleitung nicht uneingeschränkt begeistert war? Nun – ganz einfach – das Buch konzentriert sich primär auf den queeren Beziehungsaspekt und damit auch sehr viele sexuelle Parts. Diese waren entsprechend auch alle eher abseits der Norm – fast hatte man das Gefühl, dass dies zum trans-Sein dazugehörte. Ich bin mir dabei immer nicht sicher, ob es der Aufmerksamkeit dient (schliesslich erwartet man dies nicht unbedingt beim Klappentext) oder ob es für die Autorin tatsächlich so völlig normal war. Aber schlussendlich drehte sich für mein Empfinden nach fast ein Tick zu viel darum – und ich hatte das Gefühl, dass andere Aspekte, welche eben im anderen Buch sehr ausführlich erklärt wurden, dadurch untergingen. Andererseits – nicht jedes Buch muss jede Thematik abhandeln – und so lange man sich dessen bewusst ist und gerne etwas darüber lesen möchte, passt dies ja auch.
Fazit
Kannst du dir vorstellen, wie seltsam das für mich war, als Ames mich einfach gefragt hat, ob ich mein Baby teilen würde? Als wäre ich für ihn irgendein Gefäss, in dem der Traum seiner Ex-Freundin wachsen kann?
Aus „Detransition, Baby“
Alles in allem erhältst Du mit „Detransition, Baby“ einen packenden und wortgewaltigen Roman über den Versuch, Familien fernab von klassischen Vorstellungen zu gründen. Wenn Dich die oben genannten Punkte daher nicht stören, kann ich es Dir auf jeden Fall empfehlen.
Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Vielen Dank an den ullstein Verlag für das Rezensionsexemplar. Fotos von mir selbst.
Das ist ein sehr aktuelles Thema, über das ich noch zu wenig weiß;)
Alles Gute
Marion