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Buchbesprechung: Stand Up – Feminismus für alle

Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Links. Mehr dazu hier.

Dieses Buch würde ich am liebsten jedem in die Hand drücken. Männern und Frauen. Menschen, die sich als Feministen bezeichnen und solche, die dieses Wort gerne aus dem Wörterbuch streichen würden. Aktiven und Passiven. Stand Up von Julia Korbik behandelt das Thema Feminismus auf eine einzigartige Art und Weise. Egal an welchem hübschen Platz Du Dich aktuell befindest – Du wirst sicherlich das eine oder andere daraus mitnehmen können. Und zudem macht die luftig-leichte Schreibweise auch einfach Spass zu lesen.

Der Inhalt

Apropos Schreibweise: Das Buch ist wirklich ein Genuss. Die Autorin schafft es, die doch eher heiklen Themen sehr klar auf den Punkt zu bringen und gleichzeitig immer einen Hauch Humor einfliessen zu lassen. Ausserdem bin ich Fan von ihren einprägsamen und passenden Metaphern:

Ganz simpel gesagt ist Sexismus der Kitt, der die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen zusammenhält.

Aus „Stand Up“

Bis vor einigen Jahren war Feminismus für mich etwas, das zwar gut und nett ist – wir im aufgeklärten Europa (oder wenigsten Deutschland, Österreich und der Schweiz) nicht mehr brauchen. Dazu trägt natürlich bei, dass ich mich mit netten Menschen umgebe, für welche es selbstverständlich ist, niemanden zu diskriminieren. Oder zu belästigen.

Da es mir nicht gelingt, diese wunderbare Blase immer um mich herum zu tragen, stosse ich trotzdem manchmal auf Situationen, in welchen mir einfach nur den Mund offen stehen bleibt. Wie zum Beispiel der Arbeitskollege, welcher der Meinung ist, dass es völlig normal sei, wenn reiche Männer Frauen belästigen (oder noch schlimmeres). Die Logik dahinter ist, dass sie ja sowieso fast jede Frau haben können und es daher interessanter wird, wenn die Frau nicht will. Früher hätte ich in solchen Situationen (und die ist definitiv kein Einzelfall) einfach nur den Kopf geschüttelt und mich später darüber aufgeregt. Mittlerweile sage ich, was meine Meinung dazu ist – auch dank Büchern wie „Stand Up“.

Man(n) weiss angeblich gar nicht mehr, wie angemessenes Verhalten aussieht, ist völlig verunsichert und orientierungslos, während Horden schadenfroher Frauen auf Twitter schon ihr nächstes Opfer auswählen. Man sollte meinen, von Männern wird plötzlich Unmögliches erwartet: nämlich, dass sie Frauen eben nicht belästigen, nötigen und vergewaltigen.

Aus „Stand Up“

Beim Feminismus geht es eben nicht nur um das Wahlrecht, gleichen Lohn oder die #metoo Debatte. Dass die Thematik etwas komplexer ist und es definitiv nicht „den“ Feminismus gibt, wird Dir spätestens dann klar, wenn Du feststellst, dass dieses Thema erst einmal auf über 150 Seiten analysiert wird. Handelt es sich dabei um eine politische Haltung? Ist es plötzlich „in“ feministisch zu sein? Und wie entwickelte sich überhaupt der Feminismus?

Es ist also nicht so, dass Frauen in Sachen Sexismus die Deutungshoheit für sich beanspruchen. Nein, es gibt einen relativ klaren, gesellschaftlichen Konsens. Wer diesen ignoriert, tut das in den allermeisten Fällen bewusst.

Aus „Stand Up“

Im zweiten Teil des Buches werden unterschiedliche Aspekte des Feminismus beleuchtet. Das beginnt mit der grundsätzlichen Frage: Was ist eigentlich ein Mann und eine Frau? Ist das biologische Geschlecht tatsächlich immer gleich wie das soziale Geschlecht? Und natürlich darf dort auch die Erziehung nicht fehlen – von den pinken Mädchenzimmern bis hin zu den Jungen, welche nicht weinen dürfen.

Im nächsten Kapitel dreht sich alles um den Körper, den Schönheitswahn und die damit verbundenen Störungen und gesellschaftlichen Erwartungen. Dabei werden auch heikleren Themen wie die Pornoindustrie, Sexualität oder Fragen zum Thema Abtreibung nicht ausgespart.

Aber wer als Mann eine berufliche Auszeit nehmen möchte, um sich um sein neugeborenes Kind zu kümmern, wird immer noch schräg angeguckt. Wer weniger verdient als die Partnerin, auch. Wie gesagt: Das Patriarchat schadet auch Männern…

Aus „Stand Up“

Anschliessend geht es mit dem Thema Politik (und Führungspositionen) und dem Thema Frauen in der Popkultur weiter. Das sind zwei Themen, mit welchen ich mich bisher eher weniger beschäftigt habe und es hat mich sehr erstaunt, mit welchen Schwierigkeiten z.B. Gamerinnen nach wie vor zu kämpfen haben.

Abgerundet wird das Buch mit einem Kapitel mit konkreten Handlungsempfehlungen. Ich wage einfach einmal zu behaupten, dass fast jeder nach der Lektüre das Bedürfnis hat, etwas zu „tun“ – wie Du loslegen kannst (auch wenn Du nicht der Demonstrationstyp bis) erfährst Du dort.

Nun hat niemand jemals behauptet, dass gesellschaftlicher Wandel ein einziges Flauschfest ist. Gesellschaftlicher Wandel kann – wenn man darunter eine progressive Entwicklung versteht – verwirrend und schwierig sein, für Verunsicherung und Instabilität sorgen.

Aus „Stand Up“

Mir gefiel im ganzen Buch ausgesprochen gut, dass immer wieder Feminist/innen auf einer Seite kurz vorgestellt wurden. So merkt man, wie unglaublich vielseitig das Thema angegangen werden kann. Auch schwierige resp. unbekanntere Begriffe werden immer klar erläutert. Ausserdem ist das Buch für mich eine wahre Fundgrube für weiterführende Literatur – die zahlreichen Empfehlungen im Text (und auch am Ende) haben meine Wunschliste schnell anwachsen lassen. Aber auch zu anderen Themen (z.B. Filmen oder Comics) findest Du zahlreiche Empfehlungen.

So lässt sich letztendlich nur eine fast banal wirkende, aber dennoch ungeheuer wichtige Feststellung treffen: Feminismus ist für jede*n anders. Jede*r muss einen eigenen, ganz persönlichen Zugang finden – und dementsprechend handeln.

Aus „Stand Up“

Auch das Design gefiel mir ausgesprochen gut – die Illustrationen sind treffend (und oft ein klein wenig provokant) und sorgen dafür, dass die Lektüre unterhaltsam bleibt. Wenn ich etwas bemängeln müsste, wäre es lediglich der neon-orangene Text, welcher oft für Anmerkungen verwendet wurde – gute Lesbarkeit sieht anders aus. Aber wenn das bei über 400 Seiten mein einziger Kritikpunkt ist, kannst Du Dir sicherlich vorstellen, wie begeistert ich von diesem Buch war.

Ich kann dazu nur sagen: Lies es. Besser heute als morgen.


An dieser Stelle möchte ich mich herzlich beim Kein und Aber Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken.

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Fotos von mir selbst.

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