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Auch dieses Buch habe ich aufgrund einer Empfehlung gekauft – die Rezension bei Buch und Wort machte mich sofort neugierig. Während ich für normale Thriller ein bisschen zu sehr Sensibelchen bin, faszinieren mich Psychothriller umso mehr. In Kombination mit dem Thema „Schreiben“ sowie zahlreichen Auszeichnungen, gibt es eigentlich keinen Grund, warum ich Nach einer wahren Geschichte von Delphine de Vigannicht lieben sollte.
Der Klappentext
Mein allererster Rat an dieser Stelle: Lies den Klappentext nicht. In diesem wird beinahe der gesamte Inhalt des Buches aufgeführt und Du verdirbst Dir den Spass damit selbst. An dieser Stelle nur einmal so viel: Es handelt sich um eine Autorin, welche eine neue Bekanntschaft macht und anschliessend plötzlich nicht mehr schreiben kann. Alles andere erfährst Du dann Stück für Stück während der Lektüre.
Meine Meinung
Ich bin mir nicht sicher: Ist ein Buch besonders gut, wenn man während der Lektüre möglichst viel Genuss empfindet oder dann, wenn es noch Tage später im Kopf herumspuckt?
„Nach einer wahren Geschichte“ gehört ganz klar zur zweiten Kategorie. Dabei ist es nicht so, als hätte mir das Lesen selbst nicht Spass gemacht. In diesem Fall hätte es auf diesem Blog gar keinen Platz gefunden. Insbesondere der Schreibstil sorgt dafür, dass der Genuss erhalten bleibt.
Während des gesamten Buches erzählt die Autorin ihre Geschichte in der ich-Form. Dadurch baust Du eine grosse Nähe zu ihr auf, was stilistisch mit Sicherheit so gewollt ist. Beim Bloggen versuche ich oftmals meine Sätze eher kurz zu halten, damit diese gut verstanden werden. So eine Regel hat Delphine de Vigan wahrscheinlich noch nie gehört oder einfach beschlossen, sie zu ignorieren. Ihre Sätze ziehen sich oftmals über die ganze Seite und man hat das Gefühl, tief in ihre hin- und herspringenden Gedanken abzutauchen.
Ich konnte ihr nicht sagen: Madame, wenn ich Ihr Buch signiere, dann breche ich entzwei, denn genau das wird passieren, ich warne Sie, treten Sie zurück, halten Sie Abstand, der dünne Faden, der die beiden Hälften meiner Person zusammenhält, wird reissen, und dann fange ich an zu weinen oder vielleicht sogar zu schreien, was für uns alle sehr peinlich wäre.
Diese Gedankensprünge waren auch ein Grund, warum ich von diesem Buch nicht so sehr gefesselt wurde, wie ich es mir vielleicht gewünscht hätte. Manchmal kam mir der Monolog endlos lang vor, ohne dass wirklich etwas passierte. Auch Cliffhanger oder gar Elemente eines Psychothrillers waren für mich persönlich nicht spürbar. Ich konnte das Buch jederzeit weglegen, ohne dass es mich besonders gestört hätte. Da ich natürlich auf die versprochene Spannung wartete, habe ich es dennoch in einem Rutsch durchgelesen und spiele nun mit dem Gedanken, es später nochmals in die Hand zu nehmen und die ganzen langen Sätze in Ruhe zu geniessen. Nun weiss ich ja, dass kein erschreckender Passus naht.
Nichts, gar nichts, Madame, danach schreibt man nichts mehr, nicht die geringste Zeile, nicht das geringste Wort, man hält ein für alle Mal die Klappe, o ja, Sie haben recht, Monsieur, ich bin durchgebrannt wie eine Glühbirne, ich habe mein Pulver verschossen, sehen Sie doch, das Häuflein Asche zu Ihren Füssen, ich bin tot, denn ich habe alles verbrannt.
Dennoch hat es Delphine gekonnt geschafft, meine Gedanken ein paar Tage mit diesem Buch zu fesseln. Der Titel deutet darauf hin, dass das Buch auf einer wahren Geschichte basiert. Daher stellt man sich gleich zu Beginn die Frage, ob die Delphine in der Geschichte mit der Autorin übereinstimmt. Sobald man sich tiefer in das Buch eingelesen hat, drängen sich zahlreiche weitere Fragen auf: Was ist nun wahr und was ist nur eine seltsame Wirrung der Gedanken?
Meine Meinung – inklusive Spoiler
Achtung – wenn Du das Buch noch nicht gelesen hast, empfehle ich Dir dringend, diesen Absatz zu überspringen und gleich zum Fazit überzugehen – nach der Lektüre bist Du herzlich eingeladen, zurückzukehren. Nachdem ich ein Buch beendet habe, tausche ich mich unglaublich gerne mit anderen Lesern aus und möchte herausfinden, ob sie es gleich empfunden haben. Daher bin ich schon jetzt gespannt, ob Du auf die gleichen Schlussfolgerungen kamst, wie ich.
„Meine innigen Freundschaften hatten sich in luftigere, weniger exklusive Bindungen verwandelt, die in ein aus weiteren Bindungen bestehendes Leben einflossen.
Gerade ein Hinweis am Schluss des Buches deutet darauf hin, dass die geheimnissvolle L. („elle“ auf Französisch) das Buch geschrieben haben soll. Wenn sie wirklich Interesse daran gehabt hätte, diese Geschichte zu verfassen, gibt es jedoch keinen Grund, die Autorin zu vergiften. Schliesslich waren ihre Kindheitserinnerungen sowieso nicht echt und als Ghostwriter lebt es sich nicht allzu gut, wenn man seine Kunden umbringt. Also bleibt meiner Meinung nach nur die Schlussfolgerung, dass L. ein Fantasieprodukt der Protagonistin ist. Dazu passt auch die meiner Meinung nach unverhältnismässige Reaktion auf eine Kritik von L.: Nur wegen einer Rüge einer Freundin nicht mehr fähig zu sein, einen Stift in die Hand zu nehmen, erscheint mir arg unglaubwürdig. Da ist es passender, wenn sich die Protagonistin einen fiktiven Grund ausgedacht hat, um sich quasi vor dem schlechten Gewissen zu schützen.
Ob die Delphine im Buch mit der Autorin übereinstimmt spielt für mich interessanterweise keine Rolle. Wenn ich ein Buch lese, ist es mir (so wie es scheint untypischerweise) völlig egal, ob es sich dabei um ein Fantasieprodukt handelt, ob es von der Wahrheit inspiriert wurde oder ob die Geschichte in der Realität passiert ist. In dieser Welt passiert so viel Verrücktes – wer sagt, dass eine erfundene Geschichte nicht tatsächlich irgendwo Wirklichkeit war?
Ich sah mich – ja, einige Sekunden lang und mit erschreckender Genauigkeit hatte ich diese Vision von mir – auf dem Grund eines Lochs voller Erde und Schlamm.
Fazit:
Wenn Du Wert auf einen bezaubernden Schreibstil legst und gerne nach einem Buch noch ein bisschen darüber nachdenkst, machst Du mit „Nach einer wahren Geschichte“ nichts falsch. Erwarte einfach kein allzu spannungsgeladenes Werk – dann wirst Du auch nicht enttäuscht.
Das Buch wurde von mir selbst gekauft.
Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Fotos von mir selbst.