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Zwischen Selbstoptimierung und totaler Erschöpfung – wie Du die Balance findest

Moos im Wald

Es handelt sich um einen Beitrag ohne Kennzeichnungspflicht. Mehr dazu hier.

Wenn ich meinen Blick zwischen Bekannten, Blogs, Freunden, Familie, Zeitungen, Zeitschriften und Social Media hin- und herschweifen lasse, sehe ich oft die Spezies von zwei ganz unterschiedlichen Welten:

Willkommen bei den Überperformern

Da tummeln sich einerseits die Überperformer. Fast schon religiös klammert sich diese Gruppe an die Wahrheit der Selbstoptimierung. Da wird vor dem Frühstück Sport getrieben oder ein Morning Ritual (mit Dehnen, Grüntee und Mediation) durchgezogen, Abends für die Weiterbildung gebüffelt oder ein eigenes Business als zweites Standbein gegründet und in jeder noch so kurzen Pause ein Podcast gehört.

Es erklärt sich von selbst, dass zu diesem Lebensstil auch ein grosses soziales Netzwerk, selbstgekochte und gesunde Mahlzeiten für die ganze Familie sowie aussergewöhnliche Reisen gehören. Die dazu geposteten Motivationssprüche hören sich einerseits erschreckend naiv an (Du kannst alles erreichen, wenn Du nur willst!) und sprechen gleichzeitig ein tiefes Urbedürfnis an. Du willst Dich nicht nur ein klein wenig verbessern – Du möchtest exzellent werden. Nicht nur genug zum Leben haben – sondern richtig reich. Und wer spricht hier von Wohlfühlgewicht? Ein Sixpack muss her. Sweat is Fat crying. So!

Wie erschöpft kann ein Mensch sein?

Parallel dazu erhöht sich die Anzahl der Menschen, welche sich auf der anderen Seite der Waage tummelt. Ich nenne diese einfach einmal die komplett Erschöpften. Da wird plötzlich alles viel zu viel. Eigentlich haben sie genauso viel Zeit wie die Überperformer. Nur ziehen sich bei ihnen gemeinerweise die kleinsten Tasks wie Kaugummi in die Länge. Rechnungen pünktlich zahlen und eine Steuererklärung ausfüllen? Unmöglich! Den Müll nach draussen bringen und den Küchenboden wischen? Monstertasks, die fast den ganzen Bedarf an Energie verschlingen.

Während die Überperformer diese ganzen Alltagstätigkeiten ohne Nachzudenken hinter sich bringen, stellen sie für die Erschöpften eine unüberwindliche Wand dar. Von Themen wie Selbstoptimierung, Fit bleiben im Angesicht der Digitalisierung oder gar einem zweiten Business wollen wir gar nicht erst sprechen.

herbstlicher Wald

Wozu möchtest Du gehören?

#bettereverydamnday!

Vielleicht fragst Du Dich nun, was denn das für eine bescheuerte Frage ist. Natürlich klingt die erste Gruppe viel verlockender. Das Perfide daran ist jedoch, dass sie zwar ansprechender klingt, sich aber verdammt oft in die zweite Gruppe verwandelt.

Während Du noch versuchst, in einer Hand das Chia-Müsli zu balancieren und mit der anderen Hand den neuen In-Cocktail zu rühren (oder zu schütteln) bemerkst Du gar nicht, wie Deine Füsse in eine andere Richtung marschieren, als die vielen Motivationsslogans versprechen.

Manchmal passiert es ganz plötzlich. Von einem Tag auf den anderen fehlt Dir jegliche Energie. Bei anderen kommt es schleichend. Du lässt den Sport immer öfter ausfallen, empfindest die täglichen Routinen als lästig und so richtig lässt sich die Energie im Job auch nicht mehr sehen.

Eignest Du Dich, für den Überperformer-Lifestyle?

Ok – lass uns hier erst einmal mit einem Disclaimer starten. Es gibt tatsächlich ein paar wenige Personen, welche sich hervorragend für diese Kategorie eigenen. Manchmal liegt das daran, dass ihnen tatsächlich alles ein klein wenig leichter von der Hand geht. Sie lernen schneller, finden sofort den Zugang zu anderen Menschen oder kommen mit viel weniger Schlaf aus.

Bei anderen ist der Grund eher darin zu finden, dass sie sich einfach weniger Pflichten als andere aufgebürdet haben. Vielleicht arbeiten sie nur Teilzeit oder haben sich für einen gemütlichen Studiengang entschieden. Möglicherweise wohnen sie noch zu Hause oder mit jemandem zusammen, der den Haushalt für sie schmeisst. Meistens kümmern sie sich weder um kleine Kinder noch um pflegebedürftige Personen, haben kein zeitaufwändiges Hobby und kennen Überstunden nur vom Hörensagen.

Zählst Du Dich zu einer dieser beiden Kategorien? Wenn ja, dann kannst Du hier aufhören zu lesen (es gibt dafür ganz viele andere Blogposts, welche sich lohnen) und Dir auf die Schulter klopfen. Du eignest Dich hervorragend, um diesen „Höher, Schneller, Weiter“ Lifestyle zu verfolgen. Wenn nicht, ist es an der Zeit, einmal ganz kräftig auf die Bremse zu treten.

Moos im WaldWarum es nicht gut ist, ein Überperformer zu sein

Das Problem an dieser Einstellung ist nicht grundsätzlich, dass Du zu viel tust. Wir vertragen eigentlich ziemlich viel Action.

Der Fehler liegt darin, dass Du das Falsche tust.

Auf den Social Media Plattformen wird Dir ziemlich oft vorgelebt, was „Erfolg“ bedeutet. Ehrlich gesagt kommen mir diese Profile alle so vor, als wären sie einmal mit einer zu grossen Portion Weichspüler durch die Maschine gedreht worden. Die Menschen reisen auf die gleiche Art an gleiche Orte, an welchen sie die gleichen Dinge machen (Z.B. am Strand liegen, wandern, eine Stadt besichtigen oder Party). Sie ziehen sich ähnlich an und legen Wert auf ähnliche Statussymbole (Mein Haus. Mein Auto. Mein Kind. Mein Hund. Meine Uhr.). Entweder wird eine Karriere in einem klassischen Weg angestrebt (Masterstudium mit Auslandssemester lässt grüssen) oder sie streben eine Selbstständigkeit an.

Du vermeidest Social Media? Auch im klassischen Fernsehen, auf Werbeplakaten oder schon alleine im Gespräch mit Bekannten sind die gleichen Tendenzen zu entdecken.

Ich möchte hiermit nicht sagen, dass alles genau „gleich“ ist. Aber selbst wenn Du Dich einer Subkategorie (z.B. Backpacker) zuordnest, gibt es auch dort immer wieder sehr viele Tätigkeiten, welche alle Beteiligten genau gleich ausführen. Das ist ja auch schön, Zusammengehörigkeitsgefühl hilft Dir dabei, Dich besser zu fühlen. Allerdings nur dann, wenn Du Dich tatsächlich der Gruppe zugehörig fühlst.

Wenn Du merkst, dass Du mit einem Haus eigentlich gar nichts anfangen kannst und lieber alle paar Jahren den Wohnsitz wechselst, wirst Du auch dann nicht glücklich, wenn Du eine Villa mit Pool besitzt. Irgendwann wird der regelmässige Wasserwechsel mühsam, später die Renovierungsarbeiten und nach einigen Jahren versteckst Du Dich möglicherweise vor den Nachbarn, um bloss keinen nervigen Small Talk mehr führen zu müssen. All diese Tätigkeiten können Dich entweder beflügeln und mit neuer Energie versorgen oder aber komplett blockieren.

Wir fassen also zusammen: Erst einmal musst Du die gängigen Konventionen kritisch überdenken, um festzustellen, ob Du überhaupt in die richtige Richtung rennst.

Wie stellst du fest, ob Du die richtige Richtung eingeschlagen hast?

Es gibt verschiedene Strategien, um festzustellen, ob Du wirklich etwas tust, was Dich glücklich macht:

  • Frage Dich immer wieder (auch bei alltäglichen Tätigkeiten), wie Du Dich jetzt genau, in diesem Moment, fühlst. Grundsätzlich sollten die positiven Emotionen überwiegen.
  • Umgib Dich mit den unterschiedlichsten Lebensmodellen – sei dies in Form von Gesprächen mit anderen Menschen, Büchern oder Onlinerecherchen. Nur wenn Du weisst, was für Alternativen es gibt, kannst Du Dich für diese entscheiden.
  • Mach es Dir zur Gewohnheit, allgemeinbekannte Wahrheiten immer wieder einmal kritisch zu hinterfragen.
    „Man muss in einer Partnerbeziehung leben, um glücklich zu sein.“ Ist das wirklich wahr? Gibt es auch andere Lebensentwürfe, welche Menschen begeistern?
    „Kleidung machen Leute – insbesondere Markenkleidung.“ Stimmt das? Gibt es alternative Möglichkeiten, um sich zu kleiden?

Herbstwald BlattReduziere die Geschwindigkeit

Selbst wenn Du etwas (oder ganz viele Dinge) tust, die Du liebst, ist es wahrscheinlich, dass das vorgegebene Tempo einfach zu hoch ist. Unser Körper kann genauso wie unsere Psyche durchaus einmal eine Zeit lang richtig durchpowern. Anschliessend benötigt er jedoch auch wieder ruhigere Phasen.

Überleg Dir einmal: Vor etwas mehr als 30 Jahren schrieb man sich noch regelmässig Briefe. Da musstest Du erst einmal einen schönen Text schreiben, diesen anschliessend zur Post bringen und erhieltst etwa eine Woche später eine Antwort. Heutzutage erhalte ich ungefähr 100 E-Mails am Tag (beruflich & privat) und die meisten Absender erwarten eine Antwort innerhalb von wenigen Tagen oder Stunden. Diese Beschleunigung betrifft nicht nur die Kommunikation an sich (Handys statt Telefone, sofortiger Kontakt per Whatsapp rund um die Uhr…) sondern auch fast alle anderen Bereiche unseres Lebens. Nachrichten sind 24 Stunden am Tag verfügbar. Um Dir Wissen anzueignen musst Du nicht erst in eine Bibliothek gehen, sondern kannst es Dir unmittelbar ergoogeln. Wenn Du eine Fernreise unternehmen möchtest, musst Du nicht mehr jahrelang sparen – Fliegen ist für fast jeden Westeuropäer erschwinglich geworden.

Wir können unser Wissen viel schneller steigern und viel mehr in viel kürzerer Zeit erreichen.

Aber nur weil das möglich ist, heisst das nicht, dass es Dir gut tut.

Wenn Du das nächste Mal wieder versuchst, alles gleichzeitig zu erreichen, dann denk daran, dass es ab und zu sinnvoll ist, Dir eine kurze Pause zu gönnen.

Wie kannst Du konkret das Tempo verlangsamen?

  • Verbring mehr Zeit in der Natur. Diese dreht sich nicht schneller um die eigene Achse, nur weil wir das so wollen und hat daher meistens einen sehr beruhigenden Effekt.
  • Plan bewusst immer wieder einmal einen Tag oder ein paar Stunden ein, in denen Du nichts erreichen möchtest. Einfach nur treiben lassen, das Leben geniessen und absolut nichts tun.
  • Digital Detox – Mir tut es immer wieder unglaublich gut, wenn ich für einige Zeit komplett auf sämtliche digitalen Medien verzichte. Meistens kommen mir in diesen Situationen die besten Ideen.
  • Mach mal Pause. Auch wenn Du versuchst, möglichst viel zu erreichen, ist es hilfreich, immer wieder einmal kurze Momente der Ruhe einzuplanen. Zu atmen. Spazieren. Oder auch einfach nur ein wenig Meditieren.
  • Sorge für genussvolle Augenblicke. Es muss nicht jeder Moment sinnvoll verplant werden – manchmal ist auch der Besuch eines Museums oder einer Kulturveranstaltung herrlich. Oder stöbere wieder einmal in der örtlichen Bücherei nach einem spannenden Roman. Ist das weniger Deins? Wie wäre es mit einem warmen Bad, bei welchem Du ganz bewusst einem schönen Lied zuhörst?

Das Wichtigste dabei ist, die Balance zu finden. Nach Erfolg zu streben und das Beste aus sich herausholen zu wollen ist nicht per se schlecht. Aber sobald Du merkst, dass Du immer schneller beginnst zu rennen und immer mehr versuchst zu erhaschen, ist es wieder einmal Zeit für einen kleinen Schritt zurück. Frag Dich jeweils vor dem Zubettgehen: „Habe ich meine Kräfte heute gut eingeteilt oder habe ich diese überstrapaziert?“ Du solltest nie das Gefühl haben, dass die Reserven komplett aufgebraucht wurden – sonst ist es definitiv an der Zeit, wieder mehr Balance herzustellen.

 

 


 

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Fotos von mir selbst.

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